Leseprobe

Honorio

Die Tourneen der Bamberger Symphoniker tragen nicht nur Musik in alle Teile der Welt, sie bieten manchmal auch die Gelegenheit, etwas mit nach Hause zu bringen. In Mexiko-City lag nachts, auf dem Heimweg ins Hotel, ein etwa 10-jähriger Junge am Straßenrand, der keine Unterkunft hatte – einer der vielen Straßenjungen. Solo-Posaunist »Kike« Crespo, der aus Uruguay stammt, sprach den Jungen an und erfuhr, daß er keinen Menschen in dieser riesigen Großstadt habe, der sich um ihn kümmerte. Kurz entschlossen nahm die Gruppe von Musikern den Jungen mit, gab ihm reichlich zu essen und brachte ihn ins Hotel auf ihr Zimmer. Dort bekam er zuerst einmal ein Bad und durfte sich dann in einem richtigen Bett ausschlafen. Am nächsten Morgen wurde der Junge, Honorio hieß er, neu eingekleidet. In dem Kaufhaus erzählte der Mexikanerjunge seinen Kumpels, daß er jetzt einen reichen Europäer gefunden habe, der alles für ihn bezahlt. Sie könnten sich auch einen aussuchen, es wären noch mehr da. Der Posaunist Horst Wilm beschloß spontan, den Jungen als Pflegekind mit nach Bamberg zu nehmen, um ihm eine richtige Ausbildung zu ermöglichen. Ein Anruf zu Hause in Bamberg brachte das Einverständnis seiner Frau.

Nun folgten ein paar hektische Tage. Die Musiker mußten Kontakt knüpfen mit den Verwandten auf dem Lande. Auch entsprechende Papiere waren zu besorgen.

Trotz vieler Widrigkeiten gelang es, bis zum Heimflug alles zu organisieren. Heute ist Honorio ein erwachsener Mann mit Frau und Kindern in einem angesehenen Beruf

Noch mal Glück gehabt

Zugfahrt durch Portugal: Während der Fahrt fällt ein Baum auf den fahrenden Zug zwischen zwei Waggons, direkt vor dem Sonderwagen der Bamberger Symphoniker. Notbremsung! Der Baum ist in drei Stücke zerbrochen: links die Krone, das Mittelstück zwischen den Waggons und der Fuß auf der rechten Seite des Zuges. Die Arbeiter, die diesen Baum gefällt haben, stehen entsetzt mit erhobenen Händen auf dem Bahndamm und beten.
                            
Nichts passiert!

Beethoven in Tokio unter der Leitung von Josef Keilberth. Plötzlich scheint sich der Boden seitwärts zu verschieben. Ein Gefühl wie Kreislaufstörungen. Den Celli rutschen die Instrumente weg. Das Publikum starrt gespannt auf den großen Lüster über dem Parkett, der hin- und herschwingt. Die Musiker beobachten das Publikum aus dem Augenwinkel und spielen unter Todesverachtung weiter. Alles bleibt ruhig.
                            
Nichts passiert!

Rückflug aus Athen. Mit Verspätung kreist das Flugzeug über Nürnberg, ohne zu landen. Durchsage: »Meine Damen und Herren. Wir haben leider einen Defekt am rechten Triebwerk. Bitte haben Sie Geduld. Wir erwarten per Funk aus der Zentrale in Frankfurt die Nachricht, ob wir hier landen können, oder nach Frankfurt weiterfliegen müssen.«

Eine Stunde flog die Maschine im Kreise, dann an Bamberg vorbei weiter nach Frankfurt. Die Angst, es könnte doch noch etwas passieren, wurde mit Whisky und anderen Alkoholika bekämpft, bis der Vorrat und die Musiker erschöpft waren. Nach einer weiteren Stunde konnte das Orchester in eine andere Maschine nach Nürnberg steigen, wo es mit vierstündiger Verspätung ankam.
                           
Nichts passiert!

Nachts auf der Fahrt quer durch Spanien. Ein schwerer Schlag stoppt den Bus. Man hat einen Esel überfahren. Der Fahrer war eingeschlafen.
                               Nichts passiert!

Honorio aus Mexiko